usstest du, dass Frauen andere Herzinfarkt-Symptome haben als Männer – und darum öfter daran sterben? Lies hier, was Gendermedizin ist und warum sie Leben retten kann.
Unser Wunsch nach Gleichberechtigung wird immer lauter. Nicht zuletzt dank der Aufklärung in den sozialen Medien, wodurch die vielen wichtigen Punkte rund um das Thema immer mehr ins Rampenlicht gerückt werden. Eines dieser viel diskutierten Themen ist der Gender Health Gap. Frauen und Männer sind nicht gleich, aber wir sollten gleichbereichtigt sein – und das in allen Bereichen des Lebens. Gleichberechtigung in der Medizin ist aber nach wie vor nicht gegeben und das hat für viele Frauen fatale Folgen. Wusstest du, dass die meisten Frauen bei einem Herzinfarkt völlig andere Symptome haben als Männer? Da wir selbst die Symptome falsch einordnen und sogar Ärzt*innen teilweise nicht gut genug geschult sind, sterben viel mehr Frauen an den Folgen eines nicht diagnostizierten Herzinfarkts. Das ist jedoch nur ein kleiner Teil des Problems, die Gendermedizin könnte Leben retten und wir erklären dir warum.
Was ist Gendermedizin?
Der Gender Health Gap beschreibt das Problem, dass die meisten medizinischen Entscheidungen, Medikamente und auch Impfungen auf der Basis von Daten von Männern zugelassen werden. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Frauen- und Männerkörper nicht auf alles gleich reagieren und das kann schlimme Folgen für weibliche Patienten haben.
Erst im Jahr 1993 hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA beschlossen, dass Frauen in Studien miteinbezogen werden müssen. Der Hauptgrund, warum man sich das vor 1993 nicht getraut hat, ist: In frühen Studienphasen konnte man die negative Wirkung auf zukünftige Schwangerschaften und die Fruchtbarkeit der Teilnehmerinnen noch nicht abschätzen. Deswegen sind Studien mit vielen weiblichen Teilnehmerinnen meistens zeitintensiver, komplexer und teurer. Trotzdem gibt es auch in Europa seit 2001 eine gesetzliche Richtlinie, die die Anzahl von Frauen in Studien festlegt. Aber warum ist es damit nicht getan?
Deswegen ist Gendermedizin wichtig
Das Problem ist, es ist eben nur eine Richtlinie. Was für das eine Geschlecht gut ist, kann für das andere irrelevant oder sogar lebensgefährlich sein. Eine Forderung der Gender Health Gap Bewegung ist zum Beispiel, schon in der Ausbildung der zukünftigen Mediziner*innen ein größeres Augenmerk auf den Unterschied zwischen den Geschlechtern zu legen. Vor allem bei der Diagnostik werden Frauen häufig fehldiagnostiziert oder weggeschickt. Der Grund dafür liegt im Gesundheitssystem – die Symptome und Krankheitsverläufe von Frauen sind schlechter erforscht als die der Männer.
Das führt dazu, dass manche Ärzt*innen gewisse Symptome falsch einschätzen oder zuordnen, weil sich Krankheiten bei Frauen anders äußern. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist der Herzinfarkt, die Symptome zwischen den Geschlechtern könnten nicht unterschiedlicher sein. Die Folgen daraus unterstreichen die Zahlen: Im Jahr 2021 starben in Österreich 35,7 Prozent der Frauen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Das sind 2,8 Prozent mehr als Männer. 2,8 Prozent klingt erstmal nicht viel, jedoch muss man dabei beachten, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch um einiges häufiger bei Männern auftreten. Die hohe Sterberate wird neben anderen Gründen auch auf die häufige Fehldiagnose zurückgeführt, da die Symptome, die vermehrt bei Frauen auftauchen, wie Übelkeit, Erbrechen oder Erschöpfung, oft unterschätzt werden. Während die klassischen Herzinfarkt-Symptome, wie Atemnot, Brustschmerzen und Schmerzen im Oberbauch meistens sofort richtig erkannt werden.
Die Beobachtung all deiner Symptome (z.B. mit einem Zyklustracker) kann dir also unter Umständen noch viel mehr sagen, als wann deine nächste Periode fällig ist.
Die Dosis macht das Gift
Wenn Großteils für Männer entwickelte Medikamente für die Behandlung von Frauen verwendet werden, sind Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten vorprogrammiert. Auch in der idealen Dosierung unterscheiden sich die beiden Geschlechter. Das führt dazu, dass Medikamente und Impfungen bei Frauen oft überdosiert werden. Der Grund dafür liegt in der Genetik, Frauen sind mit zwei Y-Chromosomen ausgestattet, während Männer ein X- und ein Y-Chromosom haben. Diese Chromosomen codieren nicht nur äußerliche Merkmale, sondern auch Stoffwechselprozesse. Ein Beispiel: Der weiblichen Leber fällt es schwerer, manche Medikamente zu verstoffwechseln, was leicht zu einer Überdosierung führen kann, während männliche Zellen hingegen über ungünstigere Andockstationen für Schmerzmittel verfügen – daher brauchen Männer davon häufig mehr.
Ich bin nicht hysterisch, mir geht es nicht gut
Fast jede Frau kennt den Satz: „Sei nicht so hysterisch“. Das Wort Hysterie stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt Uterus. Kein Wunder also, dass dieser Begriff vor allem Frauen zugeordnet wird. Die Sicht auf die „Hysterie der Frau“ ist schon lange Zeit in unserer Gesellschaft verankert und hinterlässt bis heute ihre Spuren. Frauen erleben immer noch, wie es sich anfühlt, vor allem in medizinischen Belangen, nicht ernst genommen zu werden. Das zeichnet sich nicht nur bei alltäglichen Arztbesuchen ab, sondern auch in der Forschung. Jeder kennt die lange Liste der Nebenwirkungen der Pille. Bei der Entwicklung der Pille galten Nebenwirkungen als unvermeidbar und es wurde sich darauf geeinigt, dass der Zweck die Mittel heiligt. Einige Jahre später wurde die Forschung rund um die Pille für den Mann, wegen eben diesen Nebenwirkungen, eingestellt. Depressionen, Stimmungsschwankungen, Libidoverlust und Gewichtszunahme legten das Projekt für einige Zeit auf Eis. Die Symptome kommen manchen bestimmt bekannt vor, oder? Es scheint die Nebenwirkungen der Frauen wurden weniger ernst genommen als die der Männer.
Nicht aufgeben!
Sich bei Mediziner*innen Gehör zu verschaffen, ist für viele Frauen gar nicht so einfach. Wir werden schnell als hysterisch oder übervorsichtig abgestempelt. Doch wenn dir dein Körper sagt, dass etwas nicht stimmt, solltest du unbedingt auf ihn hören und für dich selbst einstehen. Beobachte deine Symptome genau, bevor du zum Arzt gehst und schreibe sie notfalls auf. Wenn man krank ist, fällt es oft besonders schwer, zu widersprechen, aber versuche trotzdem dich nicht unterkriegen zu lassen und höre auf dein Bauchgefühl. Das kann manchmal auch bedeuten, dass du den Arzt wechseln, eine Zweitmeinung einholen oder noch einen Termin ausmachen musst. Wichtig ist – nicht aufgeben!
Quellen:
Frauen- und Gendergesundheit (2023)
Geschlechtsunterschiede in der Pharmaforschung (2023)
Tertil (2023), Gendermedizin
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